Einer saß noch auf der Ehrentribüne
Trotz aller Querelen und Probleme: Das GSC-Fanprojekt hält zu seinem Verein
Greifswald (OZ) Wollen wir uns mal freuen, dass der ,Strippe` das noch macht, hörte man vor allem älteren Fans Sonnabend im Volksstadion reden. Mit Strippe“ ist Wolfgang Schröder gemeint, jener Mann, der in der vergangenen Saison die 1. Männermannschaft des Greifswalder SC als Trainer übernommen hat. Zu einer Zeit, als alle noch hofften, die Amateur-Oberliga könne gehalten werden. Sie konnte es nicht. Mit dem Abstieg brach im Juni alles zusammen. Schröder hält aber dennoch zum Verein. In den wohl schwierigsten Zeiten, die es für den Greifswalder SC je gegeben hat.
17 Jungs im Männerbereich sind ihm geblieben. Von über 40 in der ersten und zweiten Mannschaft. Sage und schreibe 28 haben nach der Vereinspleite sozusagen das Weite gesucht. In Weitenhagen und anderswo. Auch in Torgelow. Dorthin hat der Trainer des Leistungsstützpunktes Eckhard Ehrke drei gute Leute abgeworben. Auch über ihn sprachen die 104 zahlenden Zuschauer Sonnabend nicht nur Gutes.
Wir müssen sehen, dass wir die Sache irgendwie hinbekommen, meint Strippe Schröder völlig desillusioniert. Er sitzt nach dem Spiel allein auf der Trainerbank. Natürlich hätte er sich einen besseren Start in die Verbandsliga gewünscht, als diese 0:2 Niederlage zum Auftakt. Aber erstens gehört Sievershagen zu den Spitzenteams in der Staffel, versucht er Erklärungen zu finden. Zweitens sind uns viele gute Leute weggelaufen, so dass wir auch auf A-Junioren bauen müssen. Vor allem im Sturm sah man die Ausfälle sehr deutlich. Die Jungs haben aber trotzdem gut gespielt, waren dem Gegner eigentlich überlegen. Haben bloß keine Tore erzielt. Der Trainer wirkt nicht nur enttäuscht. Er ist es. Richtig frustiert. Und dann prasselt es aus ihm heraus: Die wahren Schuldigen sind weg, schimpft er. Und wir, die wir verblieben sind, müssen alles ausbaden. Es ist doch völlig klar, dass die ganzen Querelen in den Spielerköpfen stecken. Die Jungs können doch gar nicht frei sein und sich auf Fußball konzentrieren,
sagt Strippe. Bis vor ein paar Tagen haben wir noch nicht einmal gewusst, ob wir überhaupt spielen können, weil so vieles ungeordnet ist, redet sich der Trainer seinen Frust von der Seele. Sauer ist er vor allem auf den letzten Vorstand.
In der Tat, nach dem Insolvenzantrag brach das Chaos über den Verein herein. Nicht nur Spieler liefen weg. Auch Leute, die sich früher zum Beispiel um Organisatorisches gekümmert haben, hatten plötzlich keine Lust mehr. Ein ziemliches Tohuwabohu.
Aber selbst in diesem Wirrwarr gibt es immer noch welche, die auch weiter fest an den Verein glauben. Neben den verbliebenen Spielern, dem Trainergespann sowie dem Mannschaftsleiter sind das die Jungs vom Fan-Projekt. Wie immer waren Sonnabend wieder die Banner im Mittelblock des Volksstadions ausgerollt, auf denen in großen Buchstaben Greifswalder SC stand. Und noch etwas hatten Mikel Schriffert, Martin Czikowski und Robert Schulz dazu gemalt. Danke Jungs!. Wie sie das meinten, erklärten sie in der Halbzeitpause: Jetzt, sagen sie , spielen nur noch die beim GSC , die wirklich zum Verein stehen. Denn es hat niemand mehr einen Vertrag. Keiner bekommt Geld. Spieler nicht und Trainer nicht. Die Jungs vom Fan-Projekt unterstützen, wo sie können. Sogar ein Programmheft haben sie zum Spiel gegen den Sievershäger SV erstellt. Auf dem Kopierer. Auf die Frage, warum sie das tun, antwortet Martin Czikowski: Das ist doch unser Verein. Der ist von hier. Wir sind von hier. Ganz einfach! Als Martin sich
umdreht, kann man auf der Rückseite seines T-Shirts lesen: Tradition kann man nicht kaufen. Sie leben sie. Gegenüber des Fanblocks befindet sich die Tribüne. Auf der rechten Seite haben früher immer die Ehrengäste Platz genommen: Verantwortliche der Stadt, Unternehmer, Abgeordnete. Hin und wieder sah man dort auch mal jemanden vom Sportbund. Gemeinsam mit dem GSC-Vorstand.
Sonnabend sitzt hier nur ein einziger Mann. Allein und verlassen. Egbert Liskow. Er ist der CDU-Kreisvorsitzende von Greifswald. Später gesellt sich Manfred Bogaczyk zu ihm. Genauso wie Trainer Schröder ein Urgestein des Greifswalder Sportes. Gemeinsam mit Jens Stein, dem Vereinsvorsitzenden des SSV Grün-Schwarz, der Sonnabend den Sprecherposten übernommen hat, haben die Drei sich vor den insolventen GSC-Karren gespannt. Ihr Ziel: wenigstens den Spielbetrieb aufrecht erhalten. Während Stein sich um die Zukunft des Nachwuchses kümmert, versuchen Bogaczyk und Liskow die Rahmenbedingungen für die Verbandsliga zu schaffen. Liskow, der Bürgerschaftsabgeordnete, bemüht sich, mit der Stadt tragbare Vereinbarungen fürs Stadion zu finden. Bogaczyk klappert Sponsoren ab. Wichtig ist, sagen alle drei, dass die Klasse gehalten wird. Ich bin guter Dinge“, meint Liskow, denn das Potential haben die Jungs. Auch wenn sie heute verloren haben.
©2002 Ostsee-Zeitung/ REINHARD AMLER